Data Analytics: wie Gebäude sich selbst optimieren
Ein Gebäude, das seine technischen Anlagen permanent selbst überprüft und verbessert? Was nach Hollywood klingt, wird im Herzen von Zürich gerade Realität. Mithilfe von Datenanalyse und künstlicher Intelligenz macht die BKW Building Solutions Gebäude nicht nur energieeffizienter, sondern zugleich auch komfortabler. Martin Suter, Operativer Leiter der swisspro Automation AG, und Bernhard Sax, COO der pi-System GmbH, erklären, wie das funktioniert.
Wie lässt sich ein Gebäude durch Datenanalyse verbessern?
Martin Suter: Es gibt zwei Einsatzbereiche: die Reduktion des Energieverbrauchs und die Steigerung der Nutzerfreundlichkeit. Durch den Einsatz von Data Analytics werden verschiedene Daten in einem Gebäude einheitlich gesammelt und anschliessend durch eine künstliche Intelligenz (KI) ausgewertet. So lässt sich nicht nur das einzelne Gebäude optimieren, sondern Daten unterschiedlicher Gebäude werden auch miteinander vergleichbar. Das bietet gerade mit Blick auf die Energieoptimierung von Gebäuden einen grossen Mehrwert.
Können Sie das anhand eines konkreten Beispiels erklären?
Martin Suter: Derzeit unterstützen wir einen internationalen Techkonzern dabei, seine Vision eines «Smart Buildings» im Herzen von Zürich in die Realität umzusetzen. Dabei agieren wir in der Rolle des übergeordneten Systemintegrators: Wir sind verantwortlich für die Erstellung des virtuellen Gebäude-Zwillings (Digital Twin) und dafür, dass technische Daten in der korrekten Art und Weise übermittelt werden. Wenn wir unsere Arbeit beenden, versteht die KI die gesamte Gebäudetechnik und ist in der Lage, die Funktion der Anlagen permanent zu überprüfen. So kann der Kunde Abweichungen, Fehler und Optimierungspotenziale im System erkennen, ohne dass er sie proaktiv suchen muss. In der Schweiz gibt es höchstens eine Handvoll Gebäude, die über solch einen hohen Automationsgrad verfügen.
Was für Fehler oder Abweichungen im System sind das?
Bernhard Sax: Das kann beispielsweise eine technische Anlage sein, die aufgrund eines Defekts mehr Energie verbraucht als im ursprünglichen Zustand. Es kann aber auch eine Abweichung sein, die wegen einer Veränderung bei der Nutzung des Gebäudes entstanden ist.
Womit wir bei der Nutzerfreundlichkeit wären?
Martin Suter: Richtig, denn mithilfe von Datenanalyse gelangen wir weg von sturen Programmierungen und näher an die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen. Beispielsweise werden die Nutzungszeiten von Räumen häufig bei der Inbetriebnahme definiert. Dank Sensoren im Raum kann die KI ermitteln, ob diese Prognose zutrifft oder nicht. Sie lernt also, wann sich tatsächlich Menschen im Raum aufhalten. Darauf basierend kann zum Beispiel die Raumtemperatur optimiert werden, was die Zufriedenheit der Nutzer steigert und gleichzeitig Energie spart.
Wie bringen Sie der KI das alles bei?
Bernhard Sax: Dazu bilden wir in einem ersten Schritt die gesamte Telemetrie des Gebäudes mittels MQTT, einem Netzwerkprotokoll für die Kommunikation zwischen Maschinen, in der Cloud ab. Insgesamt sind das im beschriebenen Projekt etwa 35 000 Soll- und Ist-Werte aus allen Gewerken wie etwa Heizung, Lüftung oder Beleuchtung. Dieses Modell beschreibt die Beziehung der einzelnen Werte und Funktionen zueinander und ermöglicht es dem Algorithmus, also der KI, die Funktion der einzelnen Anlagen zu verstehen und zu analysieren.
Lässt sich jedes Gebäude mittels Datenanalyse optimieren?
Bernhard Sax: Theoretisch kann jeder Bauherr Datenanalyse betreiben, sofern er genügend Rechenkapazität, Budget und Know-how besitzt. Je nach Auftrag muss man die Themen Datenschutz und Sicherheit genau im Auge behalten.
Stichwort Sicherheit: Steigert das Vernetzen von Systemen nicht das Risiko für grossflächige, beispielsweise durch Hackerangriffe ausgelöste, Systemausfälle?
Martin Suter: Die Anforderungen an die Sicherheit in der Gebäudeautomation sind in den letzten Jahren massiv gestiegen. Sobald man ein System mit einer Cloud verbindet, steigt die Gefahr durch Angriffe von aussen. Deshalb ist es wichtig, solche Systeme bestmöglich durch Verschlüsselung, eine Firewall und weitere Massnahmen zu schützen.
Werden Serverkapazität und Energiebedarf irgendwann zur Herausforderung, wenn viele Gebäude Data Analytics betreiben?
Bernhard Sax: Meiner Einschätzung nach werden zumindest im Gebäudebereich die durch die KI ermöglichten Einsparungen höher ausfallen als die zusätzlich für Server benötigte Energie. Mit Blick auf die Tatsache, dass unsere Energie zu immer grösseren Teilen aus erneuerbaren Quellen stammt, die nicht immer gleich ergiebig sind, wird die KI künftig eine Schlüsselrolle bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Energie einnehmen.
Wo steht die Schweiz in Sachen Data Analytics in Gebäuden im internationalen Vergleich?
Martin Suter: Das ist schwer zu sagen, denn es gibt meines Wissens keine internationalen Erhebungen. Noch ist es kein Standard in der Schweiz, Neubauten smart zu konzipieren, geschweige denn Data Analytics zu betreiben. Wir können aber beobachten, dass moderne Technologien gerade bei grösseren Immobilienprojekten vermehrt zum Einsatz kommen.
Bernhard Sax: Mit Blick auf die Schweizer Energiestrategie wäre es wünschenswert, dass die Technologie vermehrt genutzt wird. Mit Data Analytics lässt sich in Gebäuden mit vergleichbar geringem Aufwand wahnsinnig viel optimieren, sodass die verschiedenen Komponenten effizienter zusammenarbeiten, insgesamt weniger Energie verbraucht wird und dabei auch noch die Nutzerfreundlichkeit steigt.